Über den Wert der Reparatur und diese Kampagne
Die Kampagne „Wert der Reparatur“ verdeutlicht anschaulich, welche Rolle die Reparatur in unserer Gesellschaft spielt. Damit stellt sie gleichzeitig dar, warum reparaturfördernde Maßnahmen und die Umsetzung eines universellen Recht auf Reparatur notwendig sind, um nachhaltiger mit unseren Ressourcen umzugehen und das Potential der Reparatur für lokale Wirtschaftsförderung, die Schaffung sozialer Räume und der Förderung technischer Mündigkeit in der Gesellschaft zu nutzen.Die Beiträge auf dieser Webseite stammen größtenteils von Mitgliedern des Netzwerks Runder Tisch Reparatur. Der Runde Tisch Reparatur vereint viele verschiedene Akteure aus Handwerk, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, die sich für ein Recht auf Reparatur einsetzen. Die Diversität der verschiedenen Beiträge und Akteure macht deutlich: Das Reparieren berührt und begegnet uns im Alltag auf vielfältige Weise, manchmal unbemerkt, manchmal sehr sichtbar, manchmal voller Frustration und manchmal voller Stolz. Es wird außerdem klar, dass die Reparatur ein wichtiger und oft unterschätzter Bestandteil unserer Wirtschaft ist und vieles zusammenhält.
> Mehr über den Runden Tisch Reparatur erfahrenEin Blick nach Japan, wo das Konzept des Wabi Sabi uns einen alternativen Blick auf den Wert unserer Produkte und den Pathos der Dinge aufzeigt.
Schlecht konstruierte Produkte, fehlende Ersatzteile, keine Reparaturwerkstatt oder Reparatur-Café in greifbarer Nähe? So ärgerlich das auch ist, umso wichtiger ist es, das zu ändern. Es gibt eine zweite «Obsoleszenz-Falle», die im Großen und Ganzen mindestens genauso zerstörerisch ist, wie diese Missstände. Es ist die „psychologische Obsoleszenz“, die wir selber in der Hand haben. Denn der Wert von Artefakten und unsere Bereitschaft, uns die Mühe zu machen sie zu bewahren, zu pflegen und zu nutzen, liegt ganz alleine im Auge der Betrachter. Denn die Welt und wir alle brauchen vor allem Wabi-Sabi.
Wer bei Wabi Sabi an den grünen Meerrettich denkt, den man zu Sushi serviert, ist rein geografisch gesehen auf der richtigen Fährte. Denn Wabi-Sabi ist eine wichtige Grundlage japanischer Ästhetik und in der Zen-Kultur verwurzelt. Die Grundsätze dieser Ästhetik sind: mono no aware (das Pathos der Dinge), Wabi (die Schönheit der Armut), Sabi (die Schönheit des Alterns), yugen (geheimnisvolle Tiefe), iki (Verfeinerung) und kire (Beschneiden/Grenze).
Mono no aware beschreibt das Gefühl, wenn wir uns der eigenen Vergänglichkeit bewusst werden. Das ist vielleicht kein schönes Gefühl; aber wir können auf unterschiedliche Art damit umgehen. Wir können verzweifeln und das Gefühl haben, alles sei nichtig und wertlos. Wir können den Schmerz der Vergänglichkeit aber auch in Liebe, Respekt und Wertschätzung für das, was ist, verwandeln. Denn das, was ist, hat einen Eigenwert und verdient nicht nur unseren Respekt, sondern auch ein wenig Ehrfurcht. Zumal das Rätsel des Seins bis heute nicht gelöst ist: Wir sind und wissen nicht warum.
Sabi berührt die Frage des Alterns. Sabi verlangt nach Materialien und Konstruktionen, die fürs Altern gemacht sind und durch den Gebrauch schöner und kostbarer werden. Gebrauchsspuren, auch sichtbare Reparaturen, werten Objekte auf. Das hat nicht nur mit unserer Beziehung zu den Dingen zu tun, sondern auch mit dem Material, aus dem Artefakte bestehen, wie sie verarbeitet wurden und wie sie altern.
Die Schönheit der Einfachheit, des Unprätentiösen und Unperfekten ist für uns oft schwer zu erkennen. Denn das Prinzip wabi beruht auf einem Zusammenspiel zwischen dem was ist, und dem was nicht ist, nicht mehr ist oder nicht mehr sein wird. Wabi fordert uns auf, unser Herz nicht an Materielles zu hängen. Die Kirschblüte ist immer vollkommen, auch wenn sie verblüht ist, der Vollmond ist auch schön, wenn wir ihn nur noch mit dem Herzen sehen können. Wabi fordert uns auf, das Sein zu feiern, denn es ist vergänglich. Wabi würdigt auch das Alltägliche und fordert uns auf, mit einfachen Dingen zufrieden zu sein.
Leder, Metalle oder Holz altern auf eine Art und Weise, die uns gut tut. Andere Dinge können gar nicht altern, weil sie nie «neu» aussahen. Denn wenn wir uns mit Dingen umgeben, die mit der Zeit schöner werden oder die uns als Objekte unersetzlich sind (Erinnerungen, Unikate) hilft es uns, das eigene Altern als Prozess der Reifung zu akzeptieren. Vor allem das Prinzip Sabi gibt uns einen Zugang zum Pathos der Objekte.
Dies ist Schönheit des Verborgenen, des Unsichtbaren, der impliziten Eigenschaften, die wir nur erahnen können, die transzendente Welt «dahinter». Yugen wird auch mit Begriffen wie dunkel, tief oder mysteriös verbunden. Es sind Erfahrungen und Empfindungen, über die wir nicht sprechen und auch nicht schreiben können.
Wabi-Sabi wird heute noch immer in Werkstätten gelebt, in denen die Handwerkskunst im Zentrum steht. Dort, wo die Hand erkennbar Spuren hinterlässt und nicht versucht, die Perfektion der industriellen Produktion zu imitieren. Denn Perfektion ist unmenschlich und macht Objekte austauschbar.
"Wenn wir uns mit Dingen umgeben, die mit der Zeit schöner werden, hilft es uns, das eigene Altern als Prozess der Reifung zu akzeptieren."
Wabi-Sabi hört sich abstrakt an. Und dennoch ist es ganz einfach und vor allem kostengünstig, so zu leben. Was brauchen wir dafür? Unaufdringliche Dinge, aus Materialien, die für den Gebrauch gemacht sind und nicht aus der Mode kommen. Den Blick für die Kostbarkeiten, die wir in Second-Hand-Kaufhäusern, auf Flohmärkten oder Gebraucht-Güter-Plattformen finden können oder durch Teilen und Tauschen. Empfehlenswert ist auch ein Kurs bei Kintsugi Meistern. Sie fügen Zerbrochenes mit vergoldetem oder versilbertem Lack so kunstvoll zusammen, dass es noch wertvoller wird als zuvor. Wahrer Luxus ist das Leben mit Dingen, die wir wirklich lieben, weil sie zu uns sprechen. Weil sie genau so wenig austauschbar sind wie wir oder die Natur, deren Teil wir sind.
"Wachstumswahn", 2014
"Die Könnensgesellschaft", Rombos Verlag 2007
"Das Handwerk der Zukunft", 1997
Weitere Infos: www.christineax.de
ist Nachhaltigkeitsexpertin seit 1997. Das Thema Nutzungsdauerverlängerung und Reparatur stand seitdem immer wieder auf ihrer wissenschaftlichen Agenda. Dabei ging es ihr vor allem stets um eine Stärkung der regionalen Ökonomie und des Handwerks. Sie ist eine der Initiatorinnen des Runden Tisch Reparatur (2015).
Kontakt: ax@christineax.de
Ein Blick nach Japan, wo das Konzept des Wabi Sabi uns einen alternativen Blick auf den Wert unserer Produkte und den Pathos der Dinge aufzeigt.
Schlecht konstruierte Produkte, fehlende Ersatzteile, keine Reparaturwerkstatt oder Reparatur-Café in greifbarer Nähe? So ärgerlich das auch ist, umso wichtiger ist es, das zu ändern. Es gibt eine zweite «Obsoleszenz-Falle», die im Großen und Ganzen mindestens genauso zerstörerisch ist, wie diese Missstände. Es ist die „psychologische Obsoleszenz“, die wir selber in der Hand haben. Denn der Wert von Artefakten und unsere Bereitschaft, uns die Mühe zu machen sie zu bewahren, zu pflegen und zu nutzen, liegt ganz alleine im Auge der Betrachter. Denn die Welt und wir alle brauchen vor allem Wabi-Sabi.
Wer bei Wabi Sabi an den grünen Meerrettich denkt, den man zu Sushi serviert, ist rein geografisch gesehen auf der richtigen Fährte. Denn Wabi-Sabi ist eine wichtige Grundlage japanischer Ästhetik und in der Zen-Kultur verwurzelt. Die Grundsätze dieser Ästhetik sind: mono no aware (das Pathos der Dinge), Wabi (die Schönheit der Armut), Sabi (die Schönheit des Alterns), yugen (geheimnisvolle Tiefe), iki (Verfeinerung) und kire (Beschneiden/Grenze).
Mono no aware beschreibt das Gefühl, wenn wir uns der eigenen Vergänglichkeit bewusst werden. Das ist vielleicht kein schönes Gefühl; aber wir können auf unterschiedliche Art damit umgehen. Wir können verzweifeln und das Gefühl haben, alles sei nichtig und wertlos. Wir können den Schmerz der Vergänglichkeit aber auch in Liebe, Respekt und Wertschätzung für das, was ist, verwandeln. Denn das, was ist, hat einen Eigenwert und verdient nicht nur unseren Respekt, sondern auch ein wenig Ehrfurcht. Zumal das Rätsel des Seins bis heute nicht gelöst ist: Wir sind und wissen nicht warum.
Sabi berührt die Frage des Alterns. Sabi verlangt nach Materialien und Konstruktionen, die fürs Altern gemacht sind und durch den Gebrauch schöner und kostbarer werden. Gebrauchsspuren, auch sichtbare Reparaturen, werten Objekte auf. Das hat nicht nur mit unserer Beziehung zu den Dingen zu tun, sondern auch mit dem Material, aus dem Artefakte bestehen, wie sie verarbeitet wurden und wie sie altern.
Die Schönheit der Einfachheit, des Unprätentiösen und Unperfekten ist für uns oft schwer zu erkennen. Denn das Prinzip wabi beruht auf einem Zusammenspiel zwischen dem was ist, und dem was nicht ist, nicht mehr ist oder nicht mehr sein wird. Wabi fordert uns auf, unser Herz nicht an Materielles zu hängen. Die Kirschblüte ist immer vollkommen, auch wenn sie verblüht ist, der Vollmond ist auch schön, wenn wir ihn nur noch mit dem Herzen sehen können. Wabi fordert uns auf, das Sein zu feiern, denn es ist vergänglich. Wabi würdigt auch das Alltägliche und fordert uns auf, mit einfachen Dingen zufrieden zu sein.
Leder, Metalle oder Holz altern auf eine Art und Weise, die uns gut tut. Andere Dinge können gar nicht altern, weil sie nie «neu» aussahen. Denn wenn wir uns mit Dingen umgeben, die mit der Zeit schöner werden oder die uns als Objekte unersetzlich sind (Erinnerungen, Unikate) hilft es uns, das eigene Altern als Prozess der Reifung zu akzeptieren. Vor allem das Prinzip Sabi gibt uns einen Zugang zum Pathos der Objekte.
Dies ist Schönheit des Verborgenen, des Unsichtbaren, der impliziten Eigenschaften, die wir nur erahnen können, die transzendente Welt «dahinter». Yugen wird auch mit Begriffen wie dunkel, tief oder mysteriös verbunden. Es sind Erfahrungen und Empfindungen, über die wir nicht sprechen und auch nicht schreiben können.
Wabi-Sabi wird heute noch immer in Werkstätten gelebt, in denen die Handwerkskunst im Zentrum steht. Dort, wo die Hand erkennbar Spuren hinterlässt und nicht versucht, die Perfektion der industriellen Produktion zu imitieren. Denn Perfektion ist unmenschlich und macht Objekte austauschbar.
"Wenn wir uns mit Dingen umgeben, die mit der Zeit schöner werden, hilft es uns, das eigene Altern als Prozess der Reifung zu akzeptieren."
Wabi-Sabi hört sich abstrakt an. Und dennoch ist es ganz einfach und vor allem kostengünstig, so zu leben. Was brauchen wir dafür? Unaufdringliche Dinge, aus Materialien, die für den Gebrauch gemacht sind und nicht aus der Mode kommen. Den Blick für die Kostbarkeiten, die wir in Second-Hand-Kaufhäusern, auf Flohmärkten oder Gebraucht-Güter-Plattformen finden können oder durch Teilen und Tauschen. Empfehlenswert ist auch ein Kurs bei Kintsugi Meistern. Sie fügen Zerbrochenes mit vergoldetem oder versilbertem Lack so kunstvoll zusammen, dass es noch wertvoller wird als zuvor. Wahrer Luxus ist das Leben mit Dingen, die wir wirklich lieben, weil sie zu uns sprechen. Weil sie genau so wenig austauschbar sind wie wir oder die Natur, deren Teil wir sind.
"Wachstumswahn", 2014
"Die Könnensgesellschaft", Rombos Verlag 2007
"Das Handwerk der Zukunft", 1997
Weitere Infos: www.christineax.de
ist Nachhaltigkeitsexpertin seit 1997. Das Thema Nutzungsdauerverlängerung und Reparatur stand seitdem immer wieder auf ihrer wissenschaftlichen Agenda. Dabei ging es ihr vor allem stets um eine Stärkung der regionalen Ökonomie und des Handwerks. Sie ist eine der Initiatorinnen des Runden Tisch Reparatur (2015).
Kontakt: ax@christineax.de
Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.
Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.