Über den Wert der Reparatur und diese Kampagne
Die Kampagne „Wert der Reparatur“ verdeutlicht anschaulich, welche Rolle die Reparatur in unserer Gesellschaft spielt. Damit stellt sie gleichzeitig dar, warum reparaturfördernde Maßnahmen und die Umsetzung eines universellen Recht auf Reparatur notwendig sind, um nachhaltiger mit unseren Ressourcen umzugehen und das Potential der Reparatur für lokale Wirtschaftsförderung, die Schaffung sozialer Räume und der Förderung technischer Mündigkeit in der Gesellschaft zu nutzen.Die Beiträge auf dieser Webseite stammen größtenteils von Mitgliedern des Netzwerks Runder Tisch Reparatur. Der Runde Tisch Reparatur vereint viele verschiedene Akteure aus Handwerk, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, die sich für ein Recht auf Reparatur einsetzen. Die Diversität der verschiedenen Beiträge und Akteure macht deutlich: Das Reparieren berührt und begegnet uns im Alltag auf vielfältige Weise, manchmal unbemerkt, manchmal sehr sichtbar, manchmal voller Frustration und manchmal voller Stolz. Es wird außerdem klar, dass die Reparatur ein wichtiger und oft unterschätzter Bestandteil unserer Wirtschaft ist und vieles zusammenhält.
> Mehr über den Runden Tisch Reparatur erfahrenReparaturcafés sind nicht nur Orte, an denen man günstig reparieren kann. Sie bringen Menschen zusammen, sind Bildungsorte und Orte der Selbstermächtigung. Ein Besuch in einem Bonner Repair Café bringt uns das Format näher.
Fast jeder hat schon einmal von Reparaturcafés gehört, zum Beispiel über die Lokalpresse, das Internet oder über Bekannte, denn Deutschland erlebt aktuell einen regelrechten Boom dieser freiwilligen Initiativen. In Reparaturcafés können Menschen unter der fachkundigen Anleitung von Ehrenamtlichen ihre kaputten Dinge reparieren. Es gibt sie in allen größeren und auch vielen kleineren Städten.
Mich interessiert, wie so ein Reparaturcafé eigentlich funktioniert. Was bewegt die Ehrenamtlichen, in ihrer Freizeit Andere bei der Reparatur zu unterstützen und ihr Wissen weiterzugeben? Und warum nutzen Menschen dieses Angebot?
Glücklicherweise gibt es in Bonn, wo ich wohne, gleich sieben (!) Repaircafés, die ich besuchen könnte, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Davon erfahren habe ich, als ich im September 2022 beim Festival „Bonn – Rundum nachhaltig“ Ulrich Buchholz traf, der die Zusammenarbeit all dieser Reparaturcafés in einer AG koordiniert. Ich entschied mich, mir einmal das Reparaturcafé der Ermekeilinitiative e.V. näher anzuschauen. Der Verein setzt sich seit vielen Jahren für eine zivile Nutzung eines alten Kasernengeländes in der Bonner Südstadt ein und nutzt das Gelände heute auf vielfältige Weise. Es gibt einen Gemeinschaftsgarten, interkulturelle Veranstaltungen sowie seit 2015 jeden dritten Samstag ein großes Reparaturcafé.
In zwei großen Räumen ist hier alles vorhanden, was man für Reparaturen verschiedenster Dinge braucht, wie etwa Nähmaschinen und Werkzeug. Außerdem gibt es Kaffee und Kuchen sowie Tische an denen man gut ins Gespräch kommen kann.
Direkt fällt mir auf, dass mehr Menschen da sind, als ich erwartet habe. Den ganzen Nachmittag über haben alle Ehrenamtlichen gut zu tun und stets warten weitere Objekte darauf, repariert zu werden.
Im Gespräch mit einigen Besucher*innen wird deutlich: Jede*r hat eigenen Gründe hierherzukommen und hinter jedem mitgebrachten Gegenstand steht eine bestimmte Geschichte. Da ist etwa ein älterer Mann, der das geerbte Hemd seines Vaters mitgebracht hat. Der Kragen ist kaputt, doch er trägt es im Winter so gerne und möchte es wieder herrichten. Eine Frau hat ihren Handstaubsauger mitgebracht - ein Neukauf wäre für sie sehr teuer und außerdem hat sie kein neues Modell gefunden, dass ihr so gut gefällt wie der alte.
Andrea, die im Repaircafé beim Nähen unterstützt, macht mich darauf aufmerksam, dass Menschen mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen ins Repaircafé kommen. Einige würden erwarten, dass die Ehrenamtlichen die ganze Reparatur übernehmen – das sei aber nicht der Gedanke des Repaircafés. Andrea hat für sich selbst entschieden, nicht mehr selbst zu nähen, sondern konsequent nur Rat zu geben. Da finde aber jede*r einen eigenen Ansatz.
"Mir wird klar, dass das Reparaturcafé nicht nur einen Ort bietet, an dem repariert wird, sondern auch einen seltenen Raum zum Zusammenkommen und Menschen kennenlernen, der nicht von kommerziellem Interesse durchzogen ist."
Mir fällt auf, dass viele Besucher*innen, mit denen ich spreche, heute zum ersten Mal da sind. Aber alle sind sehr positiv überrascht und wollen wiederkommen. Ich verstehe das, denn es herrscht wirklich eine angenehme Atmosphäre. Überall sieht man gut gelaunte Menschen, die sich gegenseitig unterstützen. Mir wird klar, dass das Reparaturcafé nicht nur einen Ort bietet, an dem repariert wird, sondern auch einen seltenen Raum zum Zusammenkommen und Menschen kennenlernen, der nicht von kommerziellem Interesse durchzogen ist.
Das scheint mir auch ein zentraler Grund dafür zu sein, dass sich Menschen dort ehrenamtlich engagieren. Als weiterer wichtiger Grund für das Engagement werden der ökologische Aspekt von Reparaturen genannt und der Wunsch, Fähigkeiten und Wissen weiterzugeben. Unter den Ehrenamtlichen sind auch einige einstige Besucher und Nutzer des Reparaturcafés.
Jede*r Ehrenamtler*in bringt sich mit verschiedenen Fähigkeiten ein: Einige unterstützen bei der Reparatur von Elektrogeräten, andere bei Textilreparaturen, wieder andere bei der Fahrradreparatur. Und wieder andere ohne Reparaturkompetenzen backen Kuchen. Dem Engagement einzelner Personen sind natürlich Grenzen gesetzt. Daher finden viele Reparaturcafés, auch das in der Ermekeilinitiative, nur in größeren Abständen statt. Jeden Donnerstag gibt es noch eine Fahrradwerkstatt. Was zu welchen Terminen repariert werden kann, hängt vom Engagement einzelner Personen mit Spezialwissen ab.
Eine Herausforderung für die Zukunft wird es sein, Reparaturcafés auch unter jüngeren Menschen bekannter zu machen, denn der Altersdurchschnitt der Besucher und Ehrenamtlichen in vielen Reparaturcafés, auch dem der Ermekeilinitiative, ist relativ hoch.
Von meinem Tag in der Ermekeilinitiative nehme ich zuallererst die Erkenntnis mit, dass Reparaturcafés nicht einfach nur Orte sind, an denen man günstig reparieren kann. Es sind Orte, an denen Beziehungen geknüpft werden, Bildungsorte, auch Orte der Selbstermächtigung. Und es sind Orte, die wir für einen echten Wandel hin zu einer Reparaturgesellschaft brauchen.
Außerdem hängen sie maßgeblich vom freiwilligen Engagement Einzelner ab. Jede Kommune sollte sich daher glücklich schätzen, wenn Engagierte die Initiative ergreifen. Kommunen sollten diese nach Möglichkeit durch Räumlichkeiten, finanzielle Mittel und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen.
Ich kann jedem, der gerne einmal ein Reparaturcafé besuchen oder sich selbst engagieren möchte, empfehlen, sich auf den Seiten reparatur-initiativen.de und repaircafe.org über die Initiativen vor Ort zu informieren.
Jonathan Schött studiert Politikwissenschaft in Bonn und arbeitet neben dem Studium beim Runden Tisch Reparatur e.V.
Reparaturcafés sind nicht nur Orte, an denen man günstig reparieren kann. Sie bringen Menschen zusammen, sind Bildungsorte und Orte der Selbstermächtigung. Ein Besuch in einem Bonner Repair Café bringt uns das Format näher.
Fast jeder hat schon einmal von Reparaturcafés gehört, zum Beispiel über die Lokalpresse, das Internet oder über Bekannte, denn Deutschland erlebt aktuell einen regelrechten Boom dieser freiwilligen Initiativen. In Reparaturcafés können Menschen unter der fachkundigen Anleitung von Ehrenamtlichen ihre kaputten Dinge reparieren. Es gibt sie in allen größeren und auch vielen kleineren Städten.
Mich interessiert, wie so ein Reparaturcafé eigentlich funktioniert. Was bewegt die Ehrenamtlichen, in ihrer Freizeit Andere bei der Reparatur zu unterstützen und ihr Wissen weiterzugeben? Und warum nutzen Menschen dieses Angebot?
Glücklicherweise gibt es in Bonn, wo ich wohne, gleich sieben (!) Repaircafés, die ich besuchen könnte, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Davon erfahren habe ich, als ich im September 2022 beim Festival „Bonn – Rundum nachhaltig“ Ulrich Buchholz traf, der die Zusammenarbeit all dieser Reparaturcafés in einer AG koordiniert. Ich entschied mich, mir einmal das Reparaturcafé der Ermekeilinitiative e.V. näher anzuschauen. Der Verein setzt sich seit vielen Jahren für eine zivile Nutzung eines alten Kasernengeländes in der Bonner Südstadt ein und nutzt das Gelände heute auf vielfältige Weise. Es gibt einen Gemeinschaftsgarten, interkulturelle Veranstaltungen sowie seit 2015 jeden dritten Samstag ein großes Reparaturcafé.
In zwei großen Räumen ist hier alles vorhanden, was man für Reparaturen verschiedenster Dinge braucht, wie etwa Nähmaschinen und Werkzeug. Außerdem gibt es Kaffee und Kuchen sowie Tische an denen man gut ins Gespräch kommen kann.
Direkt fällt mir auf, dass mehr Menschen da sind, als ich erwartet habe. Den ganzen Nachmittag über haben alle Ehrenamtlichen gut zu tun und stets warten weitere Objekte darauf, repariert zu werden.
Im Gespräch mit einigen Besucher*innen wird deutlich: Jede*r hat eigenen Gründe hierherzukommen und hinter jedem mitgebrachten Gegenstand steht eine bestimmte Geschichte. Da ist etwa ein älterer Mann, der das geerbte Hemd seines Vaters mitgebracht hat. Der Kragen ist kaputt, doch er trägt es im Winter so gerne und möchte es wieder herrichten. Eine Frau hat ihren Handstaubsauger mitgebracht - ein Neukauf wäre für sie sehr teuer und außerdem hat sie kein neues Modell gefunden, dass ihr so gut gefällt wie der alte.
Andrea, die im Repaircafé beim Nähen unterstützt, macht mich darauf aufmerksam, dass Menschen mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen ins Repaircafé kommen. Einige würden erwarten, dass die Ehrenamtlichen die ganze Reparatur übernehmen – das sei aber nicht der Gedanke des Repaircafés. Andrea hat für sich selbst entschieden, nicht mehr selbst zu nähen, sondern konsequent nur Rat zu geben. Da finde aber jede*r einen eigenen Ansatz.
"Mir wird klar, dass das Reparaturcafé nicht nur einen Ort bietet, an dem repariert wird, sondern auch einen seltenen Raum zum Zusammenkommen und Menschen kennenlernen, der nicht von kommerziellem Interesse durchzogen ist."
Mir fällt auf, dass viele Besucher*innen, mit denen ich spreche, heute zum ersten Mal da sind. Aber alle sind sehr positiv überrascht und wollen wiederkommen. Ich verstehe das, denn es herrscht wirklich eine angenehme Atmosphäre. Überall sieht man gut gelaunte Menschen, die sich gegenseitig unterstützen. Mir wird klar, dass das Reparaturcafé nicht nur einen Ort bietet, an dem repariert wird, sondern auch einen seltenen Raum zum Zusammenkommen und Menschen kennenlernen, der nicht von kommerziellem Interesse durchzogen ist.
Das scheint mir auch ein zentraler Grund dafür zu sein, dass sich Menschen dort ehrenamtlich engagieren. Als weiterer wichtiger Grund für das Engagement werden der ökologische Aspekt von Reparaturen genannt und der Wunsch, Fähigkeiten und Wissen weiterzugeben. Unter den Ehrenamtlichen sind auch einige einstige Besucher und Nutzer des Reparaturcafés.
Jede*r Ehrenamtler*in bringt sich mit verschiedenen Fähigkeiten ein: Einige unterstützen bei der Reparatur von Elektrogeräten, andere bei Textilreparaturen, wieder andere bei der Fahrradreparatur. Und wieder andere ohne Reparaturkompetenzen backen Kuchen. Dem Engagement einzelner Personen sind natürlich Grenzen gesetzt. Daher finden viele Reparaturcafés, auch das in der Ermekeilinitiative, nur in größeren Abständen statt. Jeden Donnerstag gibt es noch eine Fahrradwerkstatt. Was zu welchen Terminen repariert werden kann, hängt vom Engagement einzelner Personen mit Spezialwissen ab.
Eine Herausforderung für die Zukunft wird es sein, Reparaturcafés auch unter jüngeren Menschen bekannter zu machen, denn der Altersdurchschnitt der Besucher und Ehrenamtlichen in vielen Reparaturcafés, auch dem der Ermekeilinitiative, ist relativ hoch.
Von meinem Tag in der Ermekeilinitiative nehme ich zuallererst die Erkenntnis mit, dass Reparaturcafés nicht einfach nur Orte sind, an denen man günstig reparieren kann. Es sind Orte, an denen Beziehungen geknüpft werden, Bildungsorte, auch Orte der Selbstermächtigung. Und es sind Orte, die wir für einen echten Wandel hin zu einer Reparaturgesellschaft brauchen.
Außerdem hängen sie maßgeblich vom freiwilligen Engagement Einzelner ab. Jede Kommune sollte sich daher glücklich schätzen, wenn Engagierte die Initiative ergreifen. Kommunen sollten diese nach Möglichkeit durch Räumlichkeiten, finanzielle Mittel und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen.
Ich kann jedem, der gerne einmal ein Reparaturcafé besuchen oder sich selbst engagieren möchte, empfehlen, sich auf den Seiten reparatur-initiativen.de und repaircafe.org über die Initiativen vor Ort zu informieren.
Jonathan Schött studiert Politikwissenschaft in Bonn und arbeitet neben dem Studium beim Runden Tisch Reparatur e.V.
Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.
Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.